Geschichtsprojekt Sterbebilder

Projektkonzept, -idee

 ▶  Geschichtsunterricht

Wenn man sich im Lauf der Schuljahre im Geschichte-Unterricht von der Steinzeit immer näher an die Jetztzeit heranarbeitet, haben viele Themen einen sehr abstrakten Charakter. Renaissance? Gewaltenteilung? Bismarcks Innen- und Außenpolitik? Bitte, wer braucht das, steht doch alles bei Wikipedia - für den, den es interessiert. Bei dem Nachsatz grinsen die Jugendlichen diabolisch.

Nicht selten wird also von den Schülerinnen und Schülern in Frage gestellt, ob man überhaupt so genau über längst Vergangenes Bescheid wissen müsse. Schließlich sei der Dreißigjährige Krieg längst vorbei (Tillyschanz hin oder her), der Sonnenkönig habe vor Jahrhunderten sein Leben ausgehaucht, der Österreichische Vielvölkerstaat und sogar das britische Empire sind Vergangenheit - und warum wir uns für die Preußen interessieren sollen, bleibt manchem auf ewig ein Rätsel.

Doch natürlich erlebt man Gott sei Dank auch ganz andere Momente. Wenn sich zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Ereignissen zeigt. Oder wenn man Parallelen zur Gegenwart ziehen kann. Und dann eben auch in den Momenten, wo die große Geschichte in das Leben unserer Ahnen eingegriffen hat, wie es brutaler und rücksichtsloser nicht sein kann: in den Zeiten der Weltkriege. Da stellen sich die Ohren der Jugendlichen auf einmal auf und die müdesten Blicke werden wach. Zum Ersten und Zweiten Weltkrieg gibt es in vielen Familien Geschichten von Verwandten, von Ahnen, von Nachbarn.

 ▶  Geschichte wird greifbar

Und genau das ist der Hebel, an dem die AG Geschichte der Staatlichen Realschule Vohenstrauß angesetzt hat. Die Weltkriege sind immer schon Themen, die Schüler interessieren. Bei dem Projekt geht es aber nicht um das Münchner Abkommen oder den Hitler-Stalin-Pakt, nicht um die Verbrechen des Nationalsozialismus oder die Person Hitlers.

Es geht um die eigene Familie, um Urgroßväter und Männer, die in den Häusern oder Orten gewohnt haben, in denen wir jetzt auch wohnen - und die aus dem Krieg nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sind. Ausgehend von Sterbebildern und Todesdaten folgt die AG den Gefallenen auf ihren Wegen in den Norden, Westen, Süden oder Osten. Sie überprüft, ob der jeweilige Gefallene in einer Kriegsgräberstätte geführt ist oder dort ein Grab gefunden hat, das man noch besuchen kann.

 ▶  Kompetenzen erwerben

Alle Beteiligten haben gelernt, ein Projekt eigenständig zu organisieren und Arbeitsschritte selbstständig zu entwickeln, systematisch zu arbeiten und die Fraktur-Schrift zu lesen. Sie und alle anderen, die Bilder und Material mitgebracht haben, haben außerdem den Verlauf der Weltkriege und die Kampfschauplätze mit Menschen und Schicksalen in Verbindung gebracht und sich viel mit ihren Familien über die Ereignisse, die sich in der eigenen Familie zugetragen haben, unterhalten.

Und die betreuenden Lehrkräfte haben einmal mehr die erbauliche Erfahrung gemacht, dass man Jugendlichen in aller Ruhe etwas zutrauen kann - ohne Schieben und Ziehen, ohne Zuckerbrot und ohne Peitsche wurde in dem Schuljahr ganz nebenher, außerhalb des Unterrichts, viel erreicht - wenigstens bei dem Teil der Schülerschaft, der sich auf die Suche begeben und sich auf die Familiengeschichten eingelassen hat.

 ▶  Frieden bewahren

Das Projekt hat den Blick geschärft für Denkmäler, die uns an die Schrecknisse des Krieges erinnern sollen. Es gibt keinen Ort, an dem es kein Kriegerdenkmal gibt - mag er groß oder klein sein. Und das gilt beileibe nicht nur für Deutschland, auch in Frankeich, Großbritannien, Tschechien und allen anderen in die Kriege verwickelten Staaten finden wir solche Mahnmale. Und wir erkennen, wie absurd es uns vorkommt, dass die Vorfahren der Menschen, mit denen wir jetzt in Freundschaft verbunden sind, gegen unsere Ahnen in den Krieg ziehen mussten.

Selten erlebt man in Schulprojekten so viele Momente des stummen Erschreckens über die Vergangenheit - und der Dankbarkeit darüber, nicht in den Soldatenstiefeln der Vorfahren stecken zu müssen.

Und so ist dieses Projekt nicht auf ein Schuljahr begrenzt geblieben, sondern zieht sich durch viele Klassen und Jahrgangsstufen, ohne dass ein Schlusspunkt gesetzt wird. Wir sind froh, dass wir bei unseren Partnerschulen in Střibro und Moncoutant anrufen können, dort Freunde am Telefon vorzufinden, die mit uns Feste feiern und Projekte gestalten. Und wir wollen daran erinnern, dass diese Freundschaften wertvolle Güter sind, an denen man sich erfreuen darf - und die man sorgsam bewahren muss.